Donnerstag, 28. Mai 2009

Herzlich Willkommen!



Gestern war es endlich soweit:
Daphnes kleine Schwester ist sicher bei uns angekommen. Sie ist noch etwas schüchtern, ihren Namen hat sie uns noch nicht verraten, aber wie man sieht hat sie sich schon mit den anderen Badewannenbewohnern ein wenig angefreundet. :)

Vielen Dank an DiVa, Daphne und das restliche Plattenladenteam für das Geschenk des Geschichtenwettbewerbs.
Wir werden gut auf Ihre kleine Freundin aufpassen - versprochen!

Viele Grüße

Krypskytter

Donnerstag, 21. Mai 2009

Geschäftsleiterbüro II


„Danke Frau Schnittinger.“, Hans-Friedrich Bohner nickte seiner Angestellten zu. Mit einer Hand wies er auf die beiden schmucklosen Holzstühle vor seinem Schreibtisch. Irgendwann würde er endlich bessere Stühle beantragen, mit denen er Geschäftskunden empfangen konnte. Er besah sich die beiden Jungs, die zögernd seiner Aufforderung Folge leisteten. Für diese beiden Lümmel reichten die unbequemen Stühle allemal. Hans-Friedrich holte tief Luft, bevor er zum Sprechen ansetzte. Er nahm einen säuerlich-scharfen Geruch wahr und war für einen Moment irritiert. Er roch das Erbrochene, aber da schwang noch eine andere Note mit. Das Räuspern eines der Jungen lenkte ihn ab. Er fixierte die Beiden.
„So, so, ihr seid also die Beiden, die eben unser schön angelegtes Koi-Becken verunreinigt haben?“
Keine Reaktion.

Der schlaksige Kerl mit dem strähnigen braunen Haar fixierte angestrengt den Fußboden und warf nur gelegentlich einen schnellen, kurzen Blick in seine Richtung. Hans-Friedrich unterdrückte ein Grinsen. Das schlechte Gewissen stand ihm ins Gesicht geschrieben - Recht so! Er wandte seinen Blick dem anderen zu. Dieser sah schon etwas männlicher aus, hatte nicht mehr den unförmigen Körperbau eines Jugendlichen. Seine hellen, grauen Augen fixierten Hans-Friedrichs Blick. Unverschämt! Hans-Friedrich sog hörbar die Luft ein, seine Augen formten sich zu kleinen Schlitzen. Was glaubte der denn, wer er war?
„Habt ihr eigentlich irgendeine Ahnung wie teuer so ein Koi ist?“, er spukte die Worte aus.
Der junge Kerl vor ihm hielt weiter seinen Blick fest. Seine Stimme war ruhig. Hans-Friedrich war aber als würde ein aggressiver Unterton mitschwingen.
„Wir können Ihnen den Schaden bezahlen.“
Sein Mund klappte leicht auf und er starrte den Kerl auf der anderen Seite des Schreibtisches an. Aufrecht saß der auf seinem Stuhl, in den Schultern glaubte er eine leichte Anspannung zu sehen. Die Art wie der seinen Blick festhielt sollte vielleicht selbstbewusst wirken, Hans-Friedrich machte das allerdings eher aggressiv. Er hatte das Gefühl als versuche dieser junge Kerl ihn nieder zu starren. Wären da nicht die zusammengebissenen Zähne und die krause Stirn gewesen, die dem jungen Gesicht einen kindlich-trotzigen Ausdruck verliehen, hätte er sich tatsächlich herausgefordert gefühlt. Aber dieser Gesichtsausdruck bestätigte ihm, dass eindeutig er Herr der Lage war. Er streckte seinen Rücken, erwiderte auffordernd den Blick.
„Einen Dreck könnt ihr! Bezahlen – das ich nicht lache!“, sorgsam achtete er darauf, dass er die folgenden Worte ganz ruhig und leise aussprach, „Hast Du eine Ahnung was nur der günstigste Koi in diesem Becken kostet?“
Er unterdrückte ein Lächeln, als er sah wie sich der Mund des Jungen noch mehr verspannte. Na bitte, ging doch! Der Junge hob seinen Kopf noch ein Stückchen mehr an.
„Sagen Sie uns, was der Schaden kostet und wir werden dafür sorgen, dass Sie Ihr Geld bekommen.“
Hans-Friedrich musterte ihn einen Moment. Schließlich lies er seinen Blick zu dem Freund wandern. Dieser sah seinen Kumpel mit großen Augen an. Nur kurz, bevor er seinen Blick bemerkte und wieder zu Boden sah. Aber lang genug, um ihm die Bestätigung zu geben, dass der Kerl große Sprüche klopfte. Was war es? Er suchte nach dem passenden Wort. Überheblichkeit? Nein. Arroganz? Nicht ganz. Seine Augen blitzten einen Moment auf, er hatte es gefunden: Stolz. Ja, genau, ganz schön stolz war der. Dem Alter und der Situation unangebracht! Mal sehen, ob er ihn diesen falschen Stolz nicht ein wenig austreiben konnte:
„Wie alt bist Du?“
Einen kurzen Augenblick fiel die Anspannung von dem Gesicht. Für diesen einen Moment war es Hans-Friedrich als säße ihm ein kleiner Junge gegenüber, der völlig aus dem Konzept gebracht war. Dann fing sich der Junge und Hans-Friedrich sah sich wieder dem Halbstarken gegenüber sitzen.
„Warum?“
Er seufzte. Schade. Wobei – wie war er wohl in diesem Alter gewesen? Plötzlich sah er sich selbst mit den Augen des Jungen. Er sah einen Mitvierziger mit Halbglatze und leicht zusammengekniffenen Augen. Der Alte konnte wohl schon nicht mehr richtig gut sehen, schien aber zu eitel zu sein eine Brille aufzusetzen. Er erschrak über den Gesichtsausdruck des Mannes: Das leicht vorgeschobene Kinn und dieser Blick von oben herab verlieh ihm etwas Oberlehrerhaftes. In den Gesichtszügen lag Bitterkeit. Er schnaubte. Nein, von so einem hätte er sich als Jugendlicher auch nichts sagen lassen wollen! Hätte er sich auch kein Blöße gegeben. Wie, wie, ja genau, wie der Halbstarke hier vor ihm. Mit einem Mal schämte er sich. Dummheit! Eigentlich müssten die Jungs sich schämen! Dennoch schlug er einen versöhnlicheren Ton an:
„Man beantwortet eine Frage nicht mit einer Gegenfrage. Also: Wie alt bist Du?“
Der Junge schaute ihn an. Auf seine Stirn bildeten sich Falten. Hans-Friedrich hob seine Augenbrauen und versuchte ein leichtes Lächeln. Er bemerkte gar nicht wie er im selben Moment seine Hände, die er auf den Schreibtisch gelegt hatte, öffnete. Der Junge erwiderte sein Lächeln. Kurz. Na also!
„Siebzehn.“
Hatte er es doch gewusst! Benimmt sich wie ein Erwachsener, ist aber eigentlich noch grün hinter den Ohren. Beinahe wäre ihm ein anerkennender Pfiff entfahren. Aber er riss sich zusammen.
„Und Dein Freund?“, mit den Augen wies er auf den Schlaksigen Typen.
Wäre der alleine hier gesessen hätte er sich wahrscheinlich nach seiner geplanten Standpauke die Personalien geben lassen, Anzeige erstattet und dem jungen Kerl eine saftige Rechnung präsentiert. Er konnte diesen schlaksigen Jungen nicht wirklich ernst nehmen. Der bot keinerlei Widerstand. Wozu also ihn selbst fragen? Die Jungs tauschten einen kurzen Blick. Mit einiger Überraschung nahm Hans-Friedrich zur Kenntnis, dass der Schlaksige sich kurz aufrichtete und selbst antwortete.
„Ich bin sechzehn.“
„So, so...“, er dehnte die Worte während er langsam von einem zum anderen sah, „siebzehn und sechzehn...“
Jetzt war es ein Spiel für ihn. Es gefiel ihm die Jungs ein wenig zappeln zu lassen und in die Falle zu locken. Ganz beiläufig fragte er weiter:
„Arbeitet ihr?“
Sie tauschten wieder einen kurzen Blick. Hans-Friedrich tippte darauf, dass der Große wieder antworten würde, und er behielt Recht.
„Stundenweise.“
„So, so, Stundenweise.“, er machte eine kurze Pause, um die Schlinge richtig auszulegen, „Und eure Eltern, was arbeiten die?“
Die Augen des Jungen blitzten auf. Das Gesicht spannte sich wieder an.
„Ey, hörn Sie, ich weiß nicht was das hier soll. Ich hab Ihnen eben schon gesagt wir zahlen Ihnen Ihr Geld!“
Oh, gut gebrüllt Löwe. Hans-Friedrich zog seine Augenbrauen leicht hoch. Er bemerkte gar nicht, wie er immer mehr wieder in die Rolle dieses Oberlehrers abglitt.
„Gut, dann sag ich Dir mal, was der günstigste Fisch in dem Becken kostet: 850,- €! Der teuerste, der im Moment darin schwimmt kostet 4.500,- € - glaubst Du immer noch, Du kannst das mal eben so locker, flockig bezahlen, falls einer der Fische krepiert? Von der Reinigung des Beckens mal ganz abgesehen.“
Der Junge starrte ihn an und sagte lange nichts. Hans-Friedrich schaute ihm tief in die Augen und lies seine Worte wirken. Er hatte Zeit. Schließlich holte der Kerl tief Luft.
„Nein.“, es war fast nur gehaucht.
Zum ersten Mal in diesem Gespräch sah der Junge auf den Boden. Hans-Friedrich seufzte. Hatte er es doch gleich gewusst. Er lehnte sich zurück. Seine Hand griff nach der Schreibtischschublade. Dann eben doch das normale Prozedere. Personalien aufnehmen, Anzeige erstatten und Rechnung stellen. Er holte tief Luft. Plötzlich war da wieder dieser Geruch. Er begann zu schnüffeln. Natürlich! Da lag Alkohol in der Luft! Deshalb hatte der eine sich übergeben – zu viel getrunken!
„Hier riechts doch nach Alkohol – habt ihr zwei was getrunken?“, sein Blick fiel auf seine Angestellte, „Riechen Sie das auch?“
Frau Schnittinger hatte die ganze Zeit an der alten Schrankwand gelehnt und gewartet. Jetzt stieß sie sich ab und stellte sich hinter den Großen, legte ihm beide Hände auf die Schultern. Fast wie – ja wie? Er suchte wieder nach dem passenden Wort – genau! Fast wie eine Mutter. Ihm fiel ein, dass Frau Schnittinger ja selbst Kinder hatte, wohl ungefähr im Alter der beiden Jungs. Stirnrunzelnd hörte er sich ihren Vorschlag an. Abarbeiten sollten die Beiden die ganze Sauerrei, die sie angerichtet hatten. Naja, wenn er ehrlich war, dann würde wohl keiner der Kois wirklich bleibenden Schaden davontragen – Fische kotzten wahrscheinlich auch ins Wasser, in so fern. Aber wollte er die Beiden wirklich so einfach davon kommen lassen? Wo blieb da die erzieherische Maßnahme? Er sah lange in die hellen Augen seiner Angestellten. Er konnte sich schon die Pausengespräche der Kollegen vorstellen – egal ob er ihren Vorschlag an nahm oder nicht. Schließlich willigte er seufzend ein.
Als die drei sein Büro verlassen hatten schaute er sich noch mal die Zettel mit den Namen und Adressen an. Victor und Vladimir. Es waren unterschiedliche Nachnamen, also keine Brüder. Ihm kam wieder dieser Geruch in die Nase. Das war garantiert Alkohol, da war er sich ganz sicher! Hoffentlich übergab sich der andere nicht auch noch. Seufzend stand er auf und lüftete sein Büro.

Donnerstag, 14. Mai 2009

Geschäftsleiterbüro I


Hanna lehnte sich seufzend an die Schrankwand ihres Chefs und beobachtete die Szenerie. Die beiden Jungs saßen zusammengesunken auf den harten Holzstühlen, während Herr Bohner es sich auf seinem ledernen Schreibtischstuhl bequem gemacht hatte. Seine Stirn lag in tiefen Falten, sein Blick wanderte von einem zum anderen.
„Habt ihr eigentlich irgendeine Ahnung wie teuer so ein Koi ist?“
Hanna zuckte bei der Schärfe seiner Stimme leicht zusammen.

Der größere der Beiden, der der an der Treppe zusammen gesackt war, ergriff das Wort:
„Wir können Ihnen den Schaden bezahlen.“
Er setzte sich aufrecht und sah Herrn Bohner mit seinen hellen Augen direkt ins Gesicht. Hanna musste lächeln. Sie sah wie sich die Nasenflügel ihres Chefs weiteten. Das war kein gutes Zeichen, bedeutete es doch erfahrungsgemäß, dass man ihm jetzt besser aus dem Weg gehen sollte. Unwillkürlich spannte sich ihr Körper an. Herr Bohner atmete betont langsam und hörbar aus:
„Einen Dreck könnt ihr! Bezahlen – das ich nicht lache! Hast Du eine Ahnung was nur der günstigste Koi in diesem Becken kostet?“
Sie beobachtete wie der Junge sich noch ein Stück gerader hinsetzte und seinen Kopf leicht anhob. Mein Gott, dachte sie bei sich, das ist doch nicht der richtige Moment, um stolz zu sein! Dennoch beeindruckte sie diese Unverfrorenheit.
„Sagen Sie uns, was der Schaden kostet und wir werden dafür sorgen, dass Sie Ihr Geld bekommen.“, seine Stimme klang fest.
Herr Bohner fixierte den jungen Kerl nun mit einem stechenden Blick:
„Wie alt bist Du?“
„Warum?“
„Man beantwortet eine Frage nicht mit einer Gegenfrage. Also: Wie alt bist Du?“
Hanna konnte sehen wie es in dem Kopf des Jungen arbeitete. Nun mach schon, sei ein wenig kooperativ. Plötzlich lächelte er:
„Siebzehn.“
„Und Dein Freund?“
Die beiden Jungs tauschten einen kurzen Blick. Der Schlaksigere richtete sich ein wenig auf.
„Ich bin sechzehn.“, er sah nur kurz auf, um gleich darauf seinen Blick wieder auf den Boden zu heften.
Hanna zog ihre Stirn in Falten. Was war das für ein Akzent? Bei dem Zweiten hörte man ihn deutlicher. Die Sprache klang hart, ein wenig abgehackt.
„So, so, siebzehn und sechzehn. Arbeitet ihr?“
Wieder tauschten die Beiden einen kurzen Blick.
„Stundenweise.“, antwortete schließlich der Große.
Hanna schloss ihre Augen, um den Akzent besser zu hören und sich vorzustellen in welchem Land diese Sprache gesprochen werden könnte.
„So, so, Stundenweise. Und eure Eltern, was arbeiten die?“
„Ey, hörn Sie, ich weiß nicht was das hier soll. Ich hab Ihnen eben schon gesagt wir zahlen Ihnen Ihr Geld!“, wie um das Gesagte zu unterstreichen schlug sich der Große mit seiner Hand auf den Oberschenkel.
Hanna lies die Worte auf sich wirken. Vor ihrem geistigen Auge tauchten verschneite Berge auf und ganz klein dazwischen Holzhütten. Die Schweiz? Nein Schweizerdeutsch klang anders, niedlicher. Französischer oder Italienischer Akzent auch. Viel weicher und romantischer. Es musste eher ein Land sein in dem nicht viele Worte gemacht werden.
„Gut, dann sag ich Dir mal, was der günstigste Fisch in dem Becken kostet: 850,- €! Der teuerste, der im Moment darin schwimmt, kostet 4.500,- € - glaubst Du immer noch, Du kannst das mal eben so locker, flockig bezahlen, falls einer der Fische krepiert? Von der Reinigung des Beckens mal ganz abgesehen.“, Herr Bohner starrte den Großen mit zusammengekniffenen Lippen an.
Der Schlaksige stieß einen Pfiff durch seine Zähne aus und schaute Hannas Chef offenem Mund an.
„Nein.“, er sprach es ganz ruhig aus, als wäre es die natürlichste Antwort der Welt.
Herr Bohner schnaubte. Hanna öffnete ihre Augen wieder und bemerkte, dass der große Kerl mit den hellen Augen sie ansah. Diese Augen erinnerten sie an ihre eigenen. Seltsam, sie hatten fast die selbe Farbe. Sie zwinkerte ihm kurz zu. Er hielt noch einen kurzen Moment ihren Blick, bevor er sich wieder ihrem Chef zu wandte. Dabei sah er zum ersten Mal kurz auf den Boden. Sie musste lächeln. Bist eben doch noch sehr jung. Wenn er siebzehn war, dann war er gerade mal zwei Jahre älter als ihre Tochter. Ihr Chef zog plötzlich mehrmals geräuschvoll durch die Nase Luft ein:
„Hier riechts doch nach Alkohol – habt ihr zwei was getrunken?“
Nachdem keine Reaktion von den Beiden kam sah er zu ihr auf, zum ersten Mal seit sie die beiden Jungs in sein Büro gebracht hatte:
„Riechen Sie das auch?“
Hanna stieß sich von der Schrankwand ab. Sie zuckte leicht mit den Achseln und stellte sich hinter den Stuhl des Großen. Einen kurzen Moment überlegte sie und entschied sich ihrem Chef nichts von ihrer Beobachtung zu erzählen. Sie legte dem Großen ihre Hände auf die Schultern und spürte wie der sich kurz anspannte sich die Berührung aber gefallen lies.
„Seien wir ehrlich: den Fischen wird das Erbrochene wahrscheinlich nichts ausmachen.“
Sie unterbrach kurz da ihr Chef seine Augenbrauen leicht hochzog. Als sie sah, dass er den Mund öffnete, sprach sie schnell weiter.
„Aber die Reinigung des Beckens wird tatsächlich aufwendig und kostspielig werden. Wie wäre es, wenn die beiden hier“, jetzt legte sie ihre rechte Hand auf die Schulter des anderen Jungen, der sah mit fragenden Gesicht zu ihr hoch, „dazu verpflichten uns nach Ladenschluss bei der Reinigung zu unterstützen. Und das Erbrochene müssen sie natürlich auch wegwischen.“
„Sie meinen im Sinne von Sozialstunden?“
Sie nickte.
„Dann könnten wir von einer Anzeige absehen. Natürlich vorausgesetzt keiner der Fische trägt einen Schaden davon.“
Ihr Chef stützte sich mit seinen Ellbogen auf dem Schreibtisch auf und beugte sich nach vorne. Er sah abwechselnd von einem zum anderen. Dann holte er Papier und Stift aus seiner Schublade und schob es den beiden hin.
„Gut. Meinetwegen. Ich bin ja kein Unmensch. Zeigt mir eure Ausweise und schreibt hier euren Namen und Adresse auf – falls doch noch was wäre. Dann geht ihr mit Frau Schnittinger mit. Sie zeigt euch wo ihr euch bis Ladenschluss nützlich machen könnt.“
„Danke, Mann!“, der Schlaksige sah von Hanna zu ihrem Chef und zurück.
Er strahlte übers ganze Gesicht. Hanna sah zu dem Anderen. Dessen Gesicht blieb unbeweglich. Sie zog ihre Stirn in Falten und drückte kurz seine Schulter, bevor sie ihn wieder los lies. Seufzend nahm er den Stift in die Hand und schrieb. Sie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Er hatte ja auch nicht seinen Mageninhalt im Becken hinterlassen. Wenn sie ehrlich war hätte sie an seiner Stelle auch keine Lust auf Arbeitsstunden.

Donnerstag, 7. Mai 2009

In der Zoohandlung II


Flynns Herz klopfte wie wild, als er an der Hand seines Vaters quälend langsam die geschwungene Treppe nach oben ging. Immer wieder sprang er eine Stufe voraus, nur um dann am Ende seiner Armeslänge angekommen wieder stehen bleiben zu müssen.
„Jetzt zerr doch nicht so!“, die Stimme seines Vaters klang gepresst und seine große Pranke umschlang Flynns Hand wie ein Schraubstock.
Flynn warf einen schnellen Blick nach hinten, blieb stehen und lies seinen Kopf hängen. Angestrengt musterte er seine Fußspitzen, bis er endlich die großen Schuhe neben seinen sah. Er kniff seine Lippen zusammen, während er sich darauf konzentrierte im Takt seines Vaters seinen linken Fuß auf der nächsten Treppe abzusetzen.
„Was ziehst Du denn jetzt schon wieder für ein Gesicht? Ich dachte ich mache Dir eine Freude mit der Zoohandlung?“, die Stimme war jetzt genau über seinem Kopf. Sie klang scharf und schneidend.
Flynn zuckte zusammen.

„Ich freu mich ja...“, er sprach es so leise aus, dass man es kaum hören konnte.
Und es war gelogen. Vor fünf Minuten wäre es noch wahr gewesen, aber jetzt war es gelogen. Warum passierte das immer? Er rieb sich mit der freien Hand über die Nase und schniefte. Im nächsten Moment spürte er einen Klaps an seinem Hinterkopf.
„Habe ich Dir nicht gesagt, dass Du ein Taschentuch verwenden sollst? Hat Dir Deine Mutter das denn nicht beigebracht?“
„Doch!“, Flynn war stehen geblieben und sah seinem Vater direkt ins Gesicht.
Dieser sah ihn mit zusammengekniffenen Augen kurz an, bevor er ihm ein Taschentuch hinhielt:
„Hier, nimm!“
„Danke...“, er presste die Worte heraus, er wollte das dämliche Taschentuch überhaupt nicht.
Aber er wusste, dass es klüger war es einfach zu nehmen und sich damit die Nase zu schnäuzen. Warum machte er immer alles verkehrt? Dabei war er so stolz gewesen als Papa gestern anrief und verkündete er würde mit ihm heute in die Zoohandlung gehen und er dürfe sich ein Tier aussuchen. Ganz alleine er und Papa, selbst Patrick hat Papa zu Hause gelassen. Der musste sonst immer mit. Und der war ja auch viel schlauer. Nicht so wie er, der ja selbst zum Nase putzen zu doof war. Was war Flynn aufgeregt gewesen und was hatte er für Angst, dass der Papa im letzten Moment vielleicht wieder absagen, oder doch mit Patrick vor der Tür stehen würde. Aber er hatte Wort gehalten und war pünktlich, wie verabredet. Flynn hatte zum Schluss schon Angst gehabt, dass er nicht rechtzeitig von Tante Biggi nach Hause käme. Und trotzdem hatte er es wieder geschafft und binnen 10 Minuten seinen Vater enttäuscht. Patrick wäre das nicht passiert, da war sich Flynn sicher. Er hasste Patrick! Wieder starrte er angestrengt auf seine Füße und wartete, darauf dass dieses eklige Gefühl verschwinden und er sich wieder so wie eben auf der Treppe fühlen würde.
„Na dann wollen wir uns mal umsehen – was meinst Du?“, die große Pranke klopfte ihm auf die Schulter.
Als er aufsah lächelte sein Vater ihm kurz zu, bevor er sich in Richtung der Kleintiere wandte. Sein Herz machte einen kleinen Sprung und seine Augen begannen zu strahlen. Ungeduldig sprang er von einem Bein auf das andere und bemühte sich im langsamen Tempo seines Vaters zu bleiben.
„Was willst Du eigentlich für ein Tier?“
„Ein Chinchilla!“
„Ein was?“
„Ein Chinchilla“, Flynns Stimme zitterte ein klein wenig – hatte er wieder etwas falsch gemacht?
„Ich dachte Du willst ein Zwergkaninchen oder einen Hamster?“
„Nein.“
Unschlüssig stand sein Vater vor den Käfigen.
„Wie wär´s, wenn Du Dir selber ein Haustier anschaffst?“, zwei große Jungs kamen den Gang entlang und boxten sich abwechselnd in die Seiten.
Flynn kniff die Augen zusammen und legte seinen Kopf schief. Die sahen aus wie die beiden Jungs beim Karussell, von denen Tante Biggi sie so schnell weggezogen hatte.
„Tolle Idee!“, feixte der schlaksigere der Beiden und sah sich suchend bei den pelzigen Tieren um, „Nur was für eines?“
Flynn holte tief Luft und stellte sich dann direkt vor den Großen:
„Nimm ein Chinchilla!“
„Ein Chin-was?“, er sah Flynn an und brach dann in Gelächter aus.
Flynn spürte die Hände seines Vaters auf seinen Schultern.
„Guck, da“, er beugte sich vor und flüsterte.
Der große Kerl beugte sich zu ihm runter, ein säuerlich scharfer Geruch schlug ihm entgegen. Er rümpfte die Nase und wandte sein Gesicht leicht ab.
„Warum flüsterst Du?“
„Weil die Chinchillas tagsüber schlafen! Guck.“
Der Große folgte Flynns Finger und besah sich mit gerunzelter Stirn die pelzigen Tiere.
„Die sind aber ganz schön dick!“
„Das ist nur das Fell. Die haben ganz flauschiges Fell!“
„Echt?“
„Ja.“
Er schien beeindruckt zu sein und Flynn strahlte übers ganze Gesicht. Der Große schwankte leicht und stieß beinahe mit seinem Kopf gegen das Gitter. Plötzlich stand der Andere wieder hinter ihnen:
„Ich bin fertig, wir können gehen.“
„Ey, Alter, zeig mal Dein Schlangenfutter!“
Flynn sah erschrocken zu seinem Vater:
„Papa, will der Mann die Tiere töten?“
Er hatte keine Ahnung was für Tiere in der Pappschachtel waren, aber der Größe nach zu urteilen konnten sie nicht besonders groß sein, jedenfalls waren es keine Chinchillas, soviel stand fest. Der Andere Kerl zwinkerte Flynn kurz zu:
„Aber nein, die Schlange sucht nur jemanden zum spielen!“
Dann packte er seinen Kumpel und zog ihn schnell fort. Sie wankten leicht, wie sie so den Gang zur Treppe entlang gingen.
„Papa?“
„Ja?“
„Meinst Du so eine Schlange versteht sich mit einem Chinchilla?“
„Nein, sicher nicht.“
„Ich will auch eine Schlange...“, Flynn flüsterte es so leise, dass sein Vater es nicht hören konnte.
„So sehen also die Chinchillas aus?“, sein Vater ging vor dem Käfig in die Hocke, „so ein Tier willst Du?“
„Hmm...“, Flynn wusste nicht so recht wie er jetzt die Schlange ins Spiel bringen sollte.
Plötzlich hörten sie vom Erdgeschoss einen spitzen Schrei. Er sah seinen Vater an. Was war das? Neugierig lief er zur Treppe und sah nach unten. Er sah eine Verkäuferin, die ihre Hand an ihren Mund gepresst hatte und mit schnellen Schritten auf das große Fischbecken am Eingang zu lief. Er folgte ihrem Blick und hielt die Luft an. Neben dem Becken standen die beiden Jungs. Der Schlaksige übergab sich. Gebannt beobachtete Flynn wie die Verkäuferin etwas zu den beiden sagte, sie dann grob an den Schultern packte und wegführte.
„Papa, meinst Du der Große da ist krank?“